12.4.2022

Drei Nummern zu groß

Bürgerinitiative Potsdamer Norden lehnt Bebauungsplan für Möbelzentrum xxxLutz im Friedrichspark ab 

Blick vom alten "Weg nach Paaren" in Richtung Baumarkt. Das Baufeld für den großen Möbelmarkt befindet sich genau hier. 

Ideen für die großflächige Ansiedlung von Gewerbe im Friedrichspark gibt es seit Jahrzehnten. Jetzt plant die Stadt Potsdam auf der 72 ha große Fläche zwischen den Dörfern Marquardt, Satzkorn und Paaren ernst zu machen: Wo bisher nur ein Baumarkt, eine Solaranlage und drei kleinere Gewerbeeinheiten stehen, soll Raum für einen gigantischen Möbelmarkt geschaffen werden. Ein Verkehrskonzept fehlt, eine Einpassung in die dörflichen Strukturen ebenfalls. Ein Konzept gegen Lichtverschmutzung gibt es ebenso wenig, obwohl sich die Stadt Potsdam das Thema auf die Fahnen geschrieben hat.

 

Aktuell liegt der Entwurf eines neuen Teil-Bebauungsplans öffentlich aus. Der Plan soll ermöglichen, dass das aus Österreich stammende Möbelunternehmen xxxLutz drei Möbelmärkte mit insgesamt 38.000 qm Verkaufsfläche errichten kann. Zusätzlich sollen der

Hornbach-Baumarkt und der Busbetrieb Anger vergrößert werden. Der Supermarkt, den die Ortsbeiräte der umliegenden Ortsteile fordern, soll ausgerechnet auf einem geschützten Biotop gebaut werden.

 

Neben den naturschutzfachlichen Fragen richtet sich die größte Kritik der Bürgerinitiative (BI) auf das vollkommen überdimensionierte Bauprojekt eines fragwürdigen Unternehmens, für das die Stadt Potsdam ihre Türen öffnen möchte. xxxLutz ist eine österreichische Möbelkette, die in den letzten Jahren stark auf Expansion gesetzt hat und im Schnitt mehrere Möbelmärkte pro Jahr schluckt. „Die miese Masche des Möbelgiganten“ titelte der Stern im Jahr 2016. Im Artikel wurde angeprangert, dass dort, wo xxxLutz Möbelhäuser übernimmt, Personal entlassen und Arbeitsbedingungen verschlechtert wurden. „Wo die Möbelbrüder Andreas und Richard Seifert aufschlagen, wird nicht selten die Belegschaft geschrumpft“, heißt es in dem Artikel. Das Unternehmen schlucke kleinere und mittelständische Möbelhäuser und „bürste Häuser im Rekordtempo auf Profit.“

 

In Berlin und Brandenburg hat das Unternehmen bisher noch keinen Standort. Andere brandenburgische Gemeinden haben sich erfolgreich gegen die Ansiedlung gewehrt, etwa die Gemeinde Rangsdorf, die ihre Einzelhandelsstruktur und die vorhandenen Möbelhäuser gegen den Giganten schützen wollte. 

 

In Potsdam erhofft man sich durch den nahe gelegenen Autobahnanschluss Potsdam Nord Kundenverkehr per Auto aus einem größeren Einzugsbereich. Offen bleibt, wie das bisher unzulängliche Verkehrskonzept mit den Klimazielen der Stadt in Einklang gebracht werden soll. Erschreckend wie irritierend: Für die zu erwartenden erheblichen Verkehrsbelastungen gibt es keine Lösungen. Das beiliegende Verkehrskonzept beruht auf einer einzigen Verkehrszählung an einem Tag im April 2018 und theoretischen Annahmen. Konzepte für nachhaltige Anschlussmöglichkeiten per Bus oder Bahn gibt es nicht.

 

Offen bleibt auch, wie das Riesenprojekt in den dörflich strukturierten Potsdamer Norden passen soll. Nahe an verschiedenen Schutzgebieten gelegen, kämpfen die Menschen in den kleinen Dörfern, die zur Landeshauptstadt gehören, schon heute mit den infrastrukturellen Auswirkungen der A10, die dort zwischen den Dörfern entlangläuft. Immer wieder werden Planungskonzepte auf den Tisch gebracht, die den ländlichen Charakter der Gegend und den Naturraum dauerhaft zerstören würden: So das bis heute laufende Planfeststellungsverfahren für die über 30 Hektar große Raststätte „Havelseen“, gegen das die BI unlängst Unterstützung durch den Bundeskanzler Olaf Scholz bekam.

 

Das Bauwerk der Möbelkette xxxLutz soll 38.000 m² Verkaufsfläche erhalten und 30 Meter hoch sein. „Dagegen wirkt der bereits vorhandene Hornbach-Baumarkt wie ein Tante-Emma-Laden“, so Lars Krüger. Das Gebäude wäre in etwa so hoch wie ein zehngeschossiges Hochhaus. 

 

Ebenfalls fehlen schlüssige Entwässerungskonzepte und Aussagen, wie in der noch relativ dunklen Gegend mit Lichtverschmutzung umgegangen werden soll – noch ein Thema, das sich die Stadt Potsdam auf ihre Fahnen geschrieben hat und das in den bisher noch dunklen Ortsteilen der Stadt besonders ernst genommen werden sollte. 

 

Schaut man auf die Details der Bauplanung, gibt es viele Fragezeichen: Wieso soll für den Supermarkt ein Biotop mit einer gesetzlich geschützten Waldfläche zerstört werden, wenn sich auf der anderen Seite der Straße ein riesiges freies Feld viel besser als Baufläche anbietet? 

 

Der größte Schaden für Klima und Umwelt ist aber aufgrund der geplanten Bebauungsdichte zu erwarten. 80% der Fläche sollen bebaut werden. Mit Straßen und Parkplätzen bedeutet das eine nahezu komplette Versiegelung. Fruchtbarer Ackerboden und Grünland sollen großflächig versiegelt werden. Das beiliegende Entwässerungskonzept der Stadt ist nicht schlüssig, bei Starkregen steigt das Risiko örtlicher Überschwemmungen. Die Bodenfauna geht zugrunde. 

 

Im Bebauungsplan fehlt der direkte Fuß- und Radweg von der Bus-Haltestelle „Fährweg“ in das Plangebiet. Eine Zuwegung, die aus Richtung Ketzin/Paretz/Falkenrehde wichtig ist. Nötige Grundstücke dafür müssten gesichert werden. Im städtebaulichen Vertrag des alten, noch gültigen Bebauungsplans steht, dass sich die Investoren verpflichten, den Bahnhof Satzkorn auf ihre Kosten wiederzueröffnen. Das muss übernommen werden – auf der Grundlage realistischer Kundenzahlen.

 

Die BI fürchtet außerdem um den Erhalt der natürlichen Strukturen vor Ort. „Es ist positiv, dass zumindest ein kurzer Geh-/Radweg (300 m) entlang der Bahnhofstraße geplant ist. Der Weg muss aber so gebaut werden, dass die bestehende, historisch und ökologisch wertvolle Maulbeerreihe erhalten bleibt“, so Ingo Kunde von der BI. Ebenso wichtig: Der Weg nach Paaren, der schon auf alten Karten zu finden ist, prägt noch immer die Landschaft. Mit seinen Hecken, Eichen und wilden Obstbäumen bietet er Lebensraum für zahlreiche Tierarten, unter anderem den streng geschützten Turmfalken. Die BI fordert, diesen Weg zu erhalten und für Fußgänger und Radfahrer langfristig wieder nutzbar zu machen. Er wäre die direkte Verbindung zwischen Bahnhof Satzkorn und Gewerbegebiet. 

 

Die Bürgerbeteiligung ist bis zum 25.4. per Post oder per E-Mail möglich. 

 

Alle Unterlagen finden sich hier: www.potsdam.de/Bauleitplanung. Jetzt ist die Chance für jeden Bürger, die Stadtverordneten und die Verwaltung, die überdimensionierten Pläne der xxxL-Gruppe in ihre Schranken zu weisen.